Terezin/Theresienstadt: 1,6 Quadratmeter im ,,Wohnkäfig“

 

von Chiara Varacalli

Theresienstadt war ein Ghetto-KZ im Gebiet des heutigen Tschechien, das für den Landkreis Tübingen besonders wichtig ist. Denn Theresienstadt war der Zielort für die meisten Juden, die aus dem Kreisgebiet in den Holocaust deportiert worden sind. Der heutige Name ist Terezin.

Das Wohnen im Ghetto Theresienstadt war kein Wohnen, sondern ein Kampf ums Überleben. Der Überlebende H.G. Adler beschrieb die Unterkünfte als ,,Wohnkäfige“ (S.336). Der Platz, den eine Person im KZ Theresienstadt 1942 durchschnittlich „bewohnte“, maß 1,6 Quadratmeter. Wer heute in Tübingen studiert und ein Studentenzimmer von 20 Quadratmetern bewohnt, müsste seinen Wohnraum mit zwölf weiteren Menschen teilen!

Die Festungsstadt Theresienstadt war eigentlich für 7000 Menschen geplant. Während der Nutzung als Konzentrationslager drängten sich darin zeitweise mehr als 40.000 ZwangsbewohnerInnen.  Im Vergleich ist das so, als lebten alle BewohnerInnen Würzburgs in Derendingen.

Männer und Frauen kamen getrennt voneinander in Wohnhäusern, Kasernen und Baracken unter. Sie wurden nach ,,Arbeitskraft“ und gesundheitlichem Zustand auf die Quartiere aufgeteilt. Das Inventar war fester Bestandteil der jeweiligen Unterkunft und blieb auch nach dem Wechsel der Bewohner*innen unverändert. Zum Inventar gehörten Holzpritschen, Strohunterlagen und Betten. Die Betten waren oft dreistöckig und nur 60 cm breit, die Menschen stapelten sich quasi darauf. Zudem hatte nicht jede Insass*in ein Bett. Adler berichtete:, „viele mu[ss]ten sich mit dem Fußboden begnügen und konnten noch froh sein, wenn er von Holz und nicht von Stein war.“ (S. 325)

Zu der Raumnot bestimmten die ständige Hungersnot und die mangelnde Hygiene den Kampf ums Überleben. Nicht nur die hohe Anzahl an Bewohner*innen, sondern auch fehlende oder zu hoch frequentierte sanitäre Anlagen und das viele Ungeziefer verursachten Krankheiten wie Durchfall und Dyptherie: „man musste Schlange stehen, eine Qual bei den häufigen Durchfallerkankungen und für die Gebrechlichen.“ (S.327).

Der Beitrag entstand im Rahmen des Seminars „Biografisches Arbeiten in der Erinnerungskultur“ von Prof. Wolfgang Sannwald am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft im Sommersemester 2020. Die wichtigste Quelle war die Untersuchung und Darstellung eines Überlebenden: Adler, H.G.: Theresienstadt 1941–1945. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft. Tübingen 1955.

Ev0 20200003 de

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