Internationaler Frauentag: der jüdische Frauenverein Tübingen

Autorin: Linda Kreuzer

Am 8. März wird weltweit der Internationale Frauentag gefeiert. An diesem Tag stehen die Frau und ihre Stärke, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung im Zentrum. Vom Frauenwahlrecht bis zur Öffnung der Universitäten für Frauen wuchs Anfang des 20. Jahrhunderts die Emanzipation. An diesem Tag soll der Blick auch auf die jüdischen Frauen in Tübingen gerichtet werden. Viele von ihnen waren im jüdischen Frauenverein organisiert. Auch Vereinsmitglieder gehörten zu den Opfern und wurden von den Behörden des Deutschen Reichs in Konzentrationslager deportiert und dort ermordet.
Der jüdische Frauenverein Tübingen wurde 1924 von Karoline Löwenstein gegründet. Da sie selbst in ihrer Ehe mit Emil Löwenstein kinderlos blieb, lag es ihr besonders am Herzen, sich um andere zu kümmern. Alle jüdischen Frauen gehörten zu dieser Zeit dem Verein an, bei dem sich die meisten in der Wohlfahrtspflege engagierten. So besuchten sie unter anderem kranke Menschen, hielten Totenwachen oder kleideten die Toten ein. Alle 14 Tage wurde für arme und kranke Kinder, Männer und Frauen sowie Waisenhäuser und Krankenhäuser gestrickt und genäht. Die Arbeit ging aber auch über den eigenen Verein hinaus. Jede Woche wechselten sie sich mit christlichen Frauen ab und arbeiteten in der Winterhilfe. An Winterabenden nahmen sie gemeinsam an kulturellen Veranstaltungen teil.
Die Tübingerinnen beschäftigten sich zudem mit wichtigen Fragen ihrer Rolle als Frau. Themen wie die gesellschaftliche Standortbestimmung jüdischer Frauen, sozialpolitische Fähigkeiten oder Bildungsarbeit wurden zentral. So entwickelte sich der Verein zu einem Forum gesellschaftspolitischer Diskussionen.
Nachdem Karoline Löwenstein 1936 in die USA emigrierte, übernahm Hanna Bernheim den Vorsitz des Vereins. Sie war somit in einer Zeit an der Spitze des Frauenvereins, in der die Nürnberger Gesetze Jüdinnen und Juden massiv ausgrenzten. Zu jeder Vereinsveranstaltung, die zu dieser Zeit in ihrem eigenen Haus in der Stauffenbergstraße stattfanden, musste sie die Erlaubnis der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) einholen. Die Gestapo schickte dann meist zwei Beamte zur Überwachung der Veranstaltung. Hanna Bernheim emigrierte im Juli 1939 in die USA.

Quellen:

Geschichtswerkstatt Tübingen (Hg.): Zerstörte Hoffnungen: Wege der Tübinger Juden, Stuttgart 1995.

Zapf, Lilli: Die Tübinger Juden, 3. Aufl., Tübingen 1981.

https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/287033/8-maerz-internationaler-frauentag/ (28.02.22)

Foto: Hanna-Bernheim-Straße im Güterbahnhofareal in Tübingen / Linda Kreuzer

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