Doblerstraße Tübingen (Theodor Dobler 1893-1973)

Von Linda Kreuzer
Darf eine Straße heutzutage noch nach einem bekannten Antisemiten, NS-Mittäter oder Kolonialisten benannt sein? In Tübingen weisen Knoten in den Pfosten einiger Straßenschilder darauf hin, dass auch hier etwas nicht stimmt. Sie sollen den Diskurs und die Problematik dieser Namen in der Tübinger Öffentlichkeit bewusstmachen.
Seit Herbst 2022 überprüften Expertinnen und Experten einer städtischen Kommission die Straßennamen in Tübingen. Sie empfahlen, sechs Straßen umzubenennen. Zusätzlich stuften sie sechs Straßen als problematisch ein. Diese sind bereits durch einen Knoten im Pfosten gekennzeichnet. Zu diesen Straßen kommen nun weitere sechs hinzu, die ebenfalls einen Knoten erhalten sollen. Einer dieser sechs neuen Straßennamen ist die “Doblerstraße”, die Hauptzufahrt zum Österberg. An ihr steht unter anderem das Landgericht. Benannt ist die Straße nach dem Arzt Theodor Dobler. Nach seinem Medizinstudium arbeitete er zunächst als Hausarzt in Schorndorf. Bis 1933 war Dobler Mitglied in der Deutschen Demokratischen Partei. Als das NS-Regime 1933 an die Macht kam, schloss er sich einer Reihe von Nationalsozialistischen Verbänden an: der Nationalsozialistischen Kriegsopferversorgung (NSKOV), der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) und dem Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebund (NSDÄB).
1939 zog die Wehrmacht Dobler zum Militärdienst ein. Er wurde 1941 Standortarzt in Baden-Baden, dann Chefarzt im Reservelazarett Lemberg (Lwiw, heutige Ukraine). Ab 1943 war Dobler Oberfeldarzt im Lazarett auf dem Sand in Tübingen. Nach Kriegsende arbeitete bis zu seinem Ruhestand als Arzt. Neben seinen ärztlichen Tätigkeiten wurde er vor allem durch seine Rolle bei der “Rettung Tübingens” am Ende des Zweiten Weltkriegs bekannt. Nach seinen eigenen Aussagen soll er dafür verantwortlich gewesen sein, dass die Tübinger Innenstadt damals zum Lazarettsperrbezirk erklärt wurde. Dadurch konnte Tübingen 1945 kampflos an französisches Militär übergeben werden. Für dieses Verdienst ehrte noch im selben Jahr Viktor Renner, der erste Tübinger Oberbürgermeister nach dem Krieg, Dobler durch die Straßenbenennung. Zeitgleich zu Doblers Darstellung seiner Verdienste beim Kriegsende erhob sich Widerspruch dagegen. Zwar wurde die Tat an sich nicht infrage gestellt, jedoch ob er wirklich allein gehandelt habe und sich in dem Maß gegen die NSDAP und das Militär gestellt habe, wie er behauptete.
Die Straßennamenkommission der Stadt hat zudem festgestellt, dass Dobler bei seiner Entnazifizierung falsch aussagte. Er hatte verschwiegen, dass er bereits 1939 der NSDAP beigetreten war. Die Kommission ordnet Doblers Erzählung über das Kriegsende als Verschleierung ein, mit der er Punkte bei der Entnazifizierung sammeln wollte.

Foto: Doblerstraße in Tübingen, Linda Kreuzer

Quellen:
https://www.tuebingen.de/strassennamen-in-der-kritik#/35941/38839
https://www.tuepedia.de/wiki/Theodor_Dobler
https://idb.ub.uni-tuebingen.de/opendigi/UAT_596_2932#p=17
https://www.historischer-augenblick.de/08051945befreiung/

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