Mössinger Generalstreik – der „Sachverhalt“

Von Jonathan Gumbert

Unmittelbar nach dem Mössinger Generalstreik ermittelten Polizei und Staatsanwalt gegen circa 100 TeilnehmerInnen am Streik. Hunderte von Vernehmungsprotokollen und anderen Ermittlungsberichten sind im Bestand Wü 28/3 T 13 L 38/33 überliefert, 2744 Digitalisate sind sogar online zugänglich. Die Polizei fertigte unter anderem in einem „Sachverhalt“ das Streikgeschehen zusammen. Dieser stellt die Ereignisse vom 31. Januar 1933 äußerst akribisch zusammen, so, wie es in der deutschen Bürokratie üblich war und ist. Den Sachverhalt fassten die Polizisten auf sechs Seiten zusammen. Indem sie dem zeitlichen Verlauf folgten, reihten sie auch die Orte des Geschehens aneinander.
Hierzu zählen die Langgaß-Turnhalle, die Weberei Pausa, die Trikotwarenfabrik Merz und die Buntweberei Burkhardt. Im zweiten Abschnitt des Textes werden die Inhalte des Flugblattes, welches zum Streik aufgerufen hatte, genauer betrachtet. Im darauf folgenden Teil geht es um die Ereignisse am Abend des 30. Januars. Welche Ereignisse sich dann unmittelbar beim Mössinger Generalstreik ereigneten, haben die Ermittler in Abschnitt IV aufgelistet. Sie sammelten insbesondere Belege dafür, wie durch die Streikenden „(…) mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Personen und Sachen begangen wurden.“ Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass die Polizisten solche Gewalttätigkeiten auch vor dem Unternehmen Burkhardt unterstellten, obwohl andere Quellen dort nur Sachschäden aufführten. Auf den letzten beiden Seiten ihres Textes haben die Untersuchungsbeamten noch einmal die entstanden Sachschäden im Detail aufgelistet.
Aufgrund ihrer Ermittlungen zogen die Verfasser des Textes den Schluss, dass gegen die leitenden Personen des Streiks, Fritz Wandel, Jakob Stotz, Martin Maier (Maler), Hermann Ayen und Christof Gauger „(…) schwerer Landfriedensbruch in der Rolle der Rädelsführer ausscheidet, vielmehr ein Verbrechen des Hochverrats im Sinne der §§ 81-86 StGB. anzunehmen ist“. Das war die Grundlage dafür, dass deren Verfahren von dem vor dem Landgericht Tübingen abgekoppelt und vor dem Oberlandesgericht Stuttgart durchgeführt wurde. Während die 80 in Tübingen Verurteilten meist mehrmonatige Gefängnisstrafen wegen Landfriedensbruch erhielten, verurteilte das Oberlandesgericht Stuttgart die genannten Angeklagten zu mehrjährigen Freiheitsstrafen wegen Hochverrat.

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