9. November 1938: Pogrome in Deutschland

Am Abend des 9. November gedenken viele Parlamente, Städte, Gemeinden und Menschen in Deutschland der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. In dieser Nacht ließen die Führer des Nationalsozialismus in Deutschland jüdische Menschen und die Einrichtungen jüdischer Gemeinden direkt und gezielt angreifen. Manche HistorikerInnen bezeichnen diese so genannte Reichspogromnacht als den Beginn der systematischen Verfolgung und Vernichtung des europäischen Judentums. Das von Nationalsozialisten gesteuerte Deutsche Reich ließ zwischen 1939 und 1945 europaweit mehr als sechs Millionen Menschen vor allem durch Massenerschießungen und in Konzentrationslagern ermorden. Die Begriffe „Holocaust“ oder „Shoah“ beziehen sich meist auf die etwa sechs Millionen jüdischen Opfer des Massenmordes.
Artikel 3 des Deutschen Grundgesetzes bestimmt, dass niemand „wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“ oder wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. , Dessen Verfasser bezogen sich besonders auf die deutsche Geschichte zwischen 1933 und 1945. Bereits vor dem 9. November 1938 entrechteten deutsche Behörden schrittweise bestimmte Menschengruppen, grenzten deren Angehörige aus und beraubten sie.
Anlass für die gesteuerten Gewalttaten am 9. und 10. November gab ein Attentat am 7. November 1938 in Paris. Dabei schoss Herschel Grynszpan, ein siebzehnjähriger jüdischer Emigrant aus Hannover, auf Ernst Eduard vom Rath von der deutschen Botschaft in Paris. Das NSDAP-gelenkte Deutsche Nachrichtenbüro wies die Medien an, das Attentat „in groesster Form herauszustellen“. Es sei besonders „darauf hinzuweisen, dass das Attentat die schwersten Folgen fuer die Juden in Deutschland haben muss“. Es kam zu ersten Ausschreitungen. Rath starb am 9. November um 16.30 Uhr. Der „Führer“ der NSDAP und damalige deutsche Diktator Adolf Hitler reagierte laut Tagebucheintrag seines Propagandaministers Joseph Goebbels so: „Die Demonstrationen weiterlaufen lassen. Polizei zurückziehen. Die Juden sollen einmal den Volkszorn zu verspüren bekommen.“ Goebbels hielt anschließend eine Rede.
Die anwesenden Führer der NSDAP fassten seine Ansprache so auf, „daß die Partei nach außen nicht als Urheber der Demonstrationen in Erscheinung treten, sie in Wirklichkeit aber organisieren und durchführen sollte“. Goebbels erhielt „stürmischen Beifall“ und ergänzte: „Alles saust gleich an die Telephone. Nun wird das Volk handeln.“ Von München aus lösten die versammelten Parteioberen über telefonische und telegraphische Befehlsketten bis zur untersten Ebene der Partei ein reichsweites Pogrom aus. Das führte zur Zerstörung von mindestens 7500 Geschäften jüdischer Inhaber, von mindestens 1406 Synagogen oder Betstuben und zum Mord an bis zu 1500 Menschen.
Nationalsozialisten hatten seit 1933 alle staatlichen Behörden unter ihre Kontrolle gebracht. Sie verhinderten im November 1938, dass weder Polizei noch Feuerwehr jüdische Einrichtungen schützten. Umgekehrt setzten Verfolgungsbehörden wie Polizei und Hilfspolizei eine Anweisung Adolf Hitlers um und verhafteten seit dem 10. November wohl mindestens 30.756 Menschen meist jüdischer Herkunft und verschleppten sie in so genannte „Schutzhaftlager“ wie Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen.
Der 9. November hat in der deutschen Erinnerungskultur zusätzliche Bedeutung. 1918 wurde die erste Republik auf deutschem Boden ausgerufen und die Monarchie endete. 1923 scheiterte ein von Adolf Hitler und Erich Ludendorff in München angeführter Putsch. 1967 entfalteten Studierende bei der Amtseinführung des neuen Rektors der Hamburger Universität ein Transparent mit dem Spruch „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“. Das war der Auftakt der so genannten 68er-Bewegung: Sie forderte unter anderem, dass Staat und Gesellschaft sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen sollten. 1989 fiel „die Mauer“, die befestigte Grenzlinie zwischen der ehemaligen DDR und der BRD.
Quelle: Fernschreiben von Reinhard Heydrich (ns-archiv.de),
Quelle: Tagebücher von Joseph Goebbels: https://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de&dokument=0118_gob&l=de,
Literatur: Angela Hermann: Hitler und sein Stoßtrupp in der „Reichskristallnacht“, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 56 (2008), Heft 4, S. 603-619. Online-Link: https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/2008_4_3_hermann.pdf,
Literatur: Hans-Jürgen Döscher: „Reichskristallnacht“. Die Novemberpogrome 1938, Frankfurt am Main/Berlin 1988.

Foto: Denkmal Synagogenplatz, Jonathan Fleck

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