Widerstand aus der U-Haft

Leute die im Gefängnis eingesperrt sind, haben oft das Bedürfnis, ihren Lieben zu Hause einen Brief zu schreiben.
Genauso ging es einem gewissen Martin, der nach dem Mössinger Generalstreik vom 31. Januar 1933 in Untersuchungshaft saß.
Der Streikteilnehmer schrieb am 5. Februar 1933 aus dem Amtsgerichtsgefängnis an seine „Liebe Marie“.
Jugendguide Sofie zeigte diesen Brief bei einem öffentlichen Stadtgang in Mössingen am 17. Juni 2023.
Das originale Schriftstück befindet sich heute im Staatsarchiv Sigmaringen, in den Ermittlungsakten des Staatsanwalts gegen die StreikteilnehmerInnen. Warum hat das Staatsarchiv diesen Brief und nicht Marie? Sofie zeigte, dass einige Stellen des Briefes rot markiert sind: „Ich denke, das liegt daran dass die Verwaltung des Gefängnisses die unterstrichenen Stellen für gefährlich hielt. Hier schreibt er beispielsweise, dass das Gefängnis ihn nicht zermürben würde, sondern ihn mit Hass und neuem Mut zu kämpfen erfülle.“ An einer anderen Stelle bezeichnet Martin das „System“ als „fluchenswürdig“ und nennt die Obrigkeit „Unterdrücker“ und „Sklavenhalter“. Mit dem Satz „Darum aber kämpfen wir alle diesem Tage entgegen, dass aus den Ausgebeuteten die Richter werden“ fordert Martin direkt zum Kampf auf. Des Weiteren fordert er die Adressaten des Briefes dazu auf, weiter für ihre Sache zu werben und zu kämpfen.
Der Abschluss des Briefes lautet „Rot Front“. Diesen Gruß des Roten Frontkämpferbundes (RFKB) hat der Polizeibeamte dreimal rot unterstrichen. Sofie meint, dass die Zensurbeamten den Brief auch deshalb zurückhielten, weil er Martin zu einer Art Märtyrer machen würde. Sein Widerstand könne den Menschen neue Hoffnung geben und den Willen zu kämpfen stärken.
Sie sagt: „Mich persönlich hat Martins Haltung sehr beeindruckt. An einer Stelle im Brief wird deutlich, dass er damit rechnete, dass Polizisten seinen Brief lesen würden. Und dennoch hat er so viele kritische Sätze geschrieben und ist für seine Sache eingestanden!“

Foto: Martins Brief aus dem Untersuchungsgefängnis. Staatsarchiv Sigmaringen Wü 28/3 T 13 L 38/33A, Bild 431.

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